Die Transport- und Logistikbranche bewegt sich seit den 2000er Jahren mit Höhen und Tiefen in einem fortwährend schwierigen wirtschaftlichen und politischen Umfeld. Je nach Tätigkeitsumfeld und Spezialisierungsgrad ist man mit nicht vorhersehbaren und nicht beeinflussbaren Faktoren sowie immer wieder auf's Neue mit unternehmerischen Herausforderungen konfrontiert.
Die „goldenen“ 90er Jahre sind schon lange Geschichte. Die alteingesessenen, inhabergeführten mittelständischen Familienunternehmen müssen ihre Unternehmensstrukturen und Unternehmensorganisationen intensiver und ehrlicher hinterfragen, um die zukunftsweisenden Herausforderungen zu meistern und um die hoffentlich richtigen Entscheidungen zu treffen, um auch zukünftig ein nachhaltiges Wirtschaften des Unternehmens und ein wettbewerbsfähiges Agieren sicherstellen zu können.
Die Themen wie schwankende Kraftstoffkosten, Mauterhöhungen, Fahrpersonalmangel, EU- Mobilitätspaket, Dumpingpreise, etc. genießen nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Priorität und stehen berechtigterweise ständig im Fokus, sind aber bereits mehr als zur Genüge ausgiebig behandelt. Wir wollen in diesem Gastbeitrag die folgenden Herausforderungen betrachten:
Inhalt
Die Argumentation „Das war schon immer so“ kennt jeder. Aber ist eine solche Argumentation zielführend und zukunftsträchtig? Sind solche Argumentationen Sand im Getriebe des Unternehmens?
Der Aufbau der Unternehmensstruktur und die Organisation des Unternehmens sind das Rückgrat und zugleich das Herz eines jeden gesunden Unternehmens. Gerade alteingesessene mittelständische Familienunternehmen haben strukturell und personell klar abgegrenzte Unternehmensbereiche und Hierarchien. Diese sind oftmals durch historische Altlasten, organisches sowie anorganisches Wachstum und in langjähriger Unternehmenszugehörigkeit von Mitarbeitern begründet. In der Regel geben der Erfolg und die Vergangenheit des Unternehmens diesen gelebten Unternehmensstrukturen und der damit einhergehenden Organisation recht und bestätigen positiv die Unternehmensleitung. Was sich aber über die Zeit ändert sind interne und externe Umbrüche in bisherigen Abläufen und Anforderungen. Daraus resultierend sind ggf. im Einzelnen die bisherige Struktur und die bisherige Organisation nicht mehr zeitgemäß und effizient bzw. wirken wie Sand im Getriebe des Unternehmens. Junge Unternehmen haben hier einen Vorteil, da diese in aktuellen Zeiten erstmals Ihre Unternehmensstruktur und Organisation aufgebaut haben und nicht mit alten Zöpfen belastet sind. In größeren Unternehmen und Konzernen unterliegen die Strukturen und die Organisation einem fortlaufenden Optimierungs- und Verbesserungsprozess. Vor diesem Hintergrund sind eine intakte und effiziente Unternehmensstruktur und -organisation eine der großen Herausforderungen im Mittelstand.
Durch die Implementierung von digitalen Technologien und die ansteigenden kundenseitigen Anforderungen müssen Unternehmen zukünftig ihre interne Unternehmensstruktur und -organisation fokussieren und zeitgemäß anpassen. Fortschreitende unternehmensbereichsübergreifende Prozessketten machen ein Aufbrechen von veralteten Strukturen und Hierarchien notwendig. Der Aufbau einer Verantwortungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsstruktur ist hierbei die Herausforderung eines jeden Unternehmens.
„Die Förderung von innovativen Denkansätzen, transparenten Informationsflüssen und „hands on“-Mentalität der Mitarbeiter wird durch klar abgegrenzte aber flache hierarchische Strukturen in der Organisation positiv beeinflusst!“
Die Aussagen wie „Mitarbeiter sind das höchste Gut“ und „Mitarbeiter garantieren den Erfolg des Unternehmens“ kennt jeder. Aber sind solche Aussagen noch zeitgemäß? Werden solche Aussagen auch aktiv gelebt und wenn ja, in welcher Ausprägung?
Der Faktor Mitarbeiter ist wohl einer der wenigen Faktoren, welcher trotz - oder vielleicht aufgrund - aller Höhen und Tiefen, aller Krisen in der gesamten Branche eine feste Konstante in jedem Unternehmen bildet und somit seit jeher als zeitgemäß gelten kann. Was sich über die Zeit ändert sind allerdings die Anforderungen seitens der Unternehmen an die Mitarbeiter sowie die Anforderungen und die Bedürfnisse seitens der Bewerber und der Mitarbeiter an die Unternehmen. Größere Unternehmen und Konzerne haben dies längst erkannt und beschäftigen entsprechend qualifizierte und professionalisierte HR-Abteilungen und SocialMedia-Abteilungen. Vor diesem Hintergrund ist Employer Branding eine der großen Herausforderungen im Mittelstand.
Durch die Umsetzung von strategischen Maßnahmen und Konzepten müssen Unternehmen zukünftig verstärkt als sogenannter attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Schwerpunkte bestehen darin, durch positives Marketing die Effizienz der Mitarbeiterrekrutierung sowie die Qualität der Bewerber nachhaltig zu steigern und wertschöpfende Mitarbeiter durch eine persönliche Identifikation und unter Umständen emotionale Bindung langfristig für das Unternehmen zu sichern. Aber selbst die besten Maßnahmen, Konzepte sowie Angebote an Bewerber und Mitarbeiter sind nicht zielführend, wenn diese die Anforderungen und Bedürfnisse der einzelnen Bewerber und Mitarbeiter nicht decken. Menschen sind nun mal Menschen und haben individuelle Lebenseinstellungen und Lebensumstände, welche sich in den jeweiligen Anforderungen und Bedürfnissen widerspiegeln. Als Ausgangssituation sollte somit ein Gesamtkonzept erstellt werden.
Dies berücksichtigt neben den vom Unternehmen vorgegebenen Rahmenbedingungen, wie z. B. Budget, personelle Ressourcen für die Implementierung sowie Administration und Umsetzungsfreigaben, auch eine Identifizierung möglicher Anforderungen und Bedürfnisse von zukünftigen Bewerbern und aktuellen Mitarbeitern. Diese Punkte unter Berücksichtigung der Unternehmensvorgaben und individueller Anforderungen und Bedürfnisse einzelner in Einklang zu bringen, ist wohl die größte Herausforderung in dem Gesamtkonzept. Die eigentliche Umsetzung ist dann die kleinere Herausforderung. Und, in der Entwicklung zu einem attraktiven Arbeitgeber sind keine Grenzen gesetzt. Beispiele hierfür sind SocialMedia Fanpages, interaktives Intranet, flexible Arbeitszeitmodelle, Team- und Firmenevents, moderne Workplaces, betriebliche Altersvorsorge, Fahrradleasing für Mitarbeiter, und vieles mehr.
„Die Basis eines erfolgreichen und nachhaltigen Employer Branding ist die Integrität und Identität basierend auf einer gelebten Unternehmenskultur!“
Die Bezeichnung „Digitalisierung“ kennt jeder. Aber was ist damit genau gemeint und wo liegt die Herausforderung?
Der Begriff Digitalisierung wird landläufig als Schlagwort für verschiedenste Themen genutzt. Unter Digitalisierung verstehen wir heute nicht mehr einfach nur die Umwandlung von analogen Daten wie z. B. einem Papierbeleg in ein digitales Format, sondern auch den Einsatz von Dokumentenmanagementsystemen, den Einsatz von Fahrzeugtelematik- und Track&Trace Systemen, die Automatisierung von Prozessen, die Weiterverarbeitung von Daten, Schnittstellenanbindungen und vieles mehr. Letztendlich werden aber in vielen Fällen bestehende Prozesse nur in einer anderen Art und Weise abgebildet. Bei Durchgängigkeit der Digitalisierung und kontinuierlichem Nutzen von digitalen Technologien kann darauf aufbauend die digitale Transformation einsetzen. Die eigentliche Transformation geht über den Digitalisierungsprozess hinaus und birgt durch Veränderungsprozesse den Gewinn an Mehrwert für das Unternehmen, um auch zukünftig nachhaltig wirtschaften und wettbewerbsfähig agieren zu können. Größere Unternehmen und Konzerne sind längst Vorreiter und haben durch ihre Unternehmensgröße und ihre Investitionsmöglichkeiten in verschiedensten Bereichen die Transformation strukturiert angegangen bzw. teilweise bereits abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist die Digitalisierung eine der großen Herausforderungen im Mittelstand.
Durch die Implementierung von digitalen Technologien müssen Unternehmen zukünftig ihre interne Wertschöpfungskette fokussieren und vorhandenen Datenmengen und Abläufe effizienter nutzen und gestalten. Dies betrifft sämtliche Unternehmensbereiche in unterschiedlichsten Varianten und Ausprägungen. Beispiele hierfür sind im Bereich Personal digitale Unterweisungs- und Schulungsportale, im Bereich Abrechnung die automatisierte Rechnungserstellung inkl. digitalem Rechnungsausgang, im Bereich Disposition die Einbindung von Fahrzeugtelematik in das Auftrags-Statusmanagement, im Bereich Fuhrpark der automatisierte Massenspeicher- und Fahrerkartendownload sowie die zugehörige Archivierung, im Bereich Lohnbuchhaltung die automatisierte Lohn- und Spesenabrechnung und vieles mehr. Aber Digitalisierung ist nicht zielführend, wenn diese nicht ganzheitlich und durchgängig umgesetzt wird. Als Ausgangssituation sollten somit Digitalisierungskonzepte für einzelne Unternehmensbereiche erstellt werden, die im besten Fall miteinander harmonisieren. Voraussetzungen sind neben den jeweiligen unterstützenden Technologien entsprechend personelle Ressourcen für die Implementierung sowie Administration und die Bereitschaft, in die jeweils notwendige Hardware bzw. IT zu investieren. Die Erfüllung der Ausgangssituation und der Voraussetzungen ist die größte Herausforderung auf dem Weg der Digitalisierung.
„Die Basis einer erfolgreichen Digitalisierung ist die notwendige Transparenz und: Digitalisierung ist Chefsache!“
Die Ansicht „Der Kunde ist König“ kennt jeder. Aber ist diese Ansicht noch zeitgemäß? Bezeichnet diese Ansicht die Kundenbeziehung?
Der Faktor des Preis-Leistungsverhältnisses spiegelt am rudimentärsten die Basis von Kundenbeziehungen wider. Kundenbeziehungen, in welchen der Preisdruck im Verhältnis mit einer vermeintlich guten Qualität der Leistung durch einen mutmaßlich partnerschaftlich agierenden Geschäftspartner vorherrscht, sind in der Regel nicht von der gewünschten Nachhaltigkeit geprägt – aber dennoch eine täglich anhaltende Thematik in der Branche, wenn es um den marktbegleitenden Wettbewerb geht. Ein weiterer Faktor der Kundenbeziehungen sind die gestiegenen und vielseitig ausgeprägten Anforderungen an den Geschäftspartner. Die Vorgaben, kundenseitige Verlade- und Entladevorschriften einzuhalten, automatisiertes Track&Trace inkl. Statusrückmeldungen darzustellen, Workflow und Prozessabläufe in Echtzeit abzuwickeln, DriverApps diverser Anbieter zu nutzen, Schnittstellenanbindungen bereitzuhalten, e-Billing Vorgaben und vieles mehr sind bei Bestandskunden und auch bei Neukundenakquise mittlerweile Standard. Größere Unternehmen und Konzerne sind teilweise in der Preisfindung und vor allem bei der Erfüllung vielseitiger Kundenanforderungen durch ihre Unternehmensgröße und ihre Investitionsmöglichkeiten gut aufgestellt. Vor diesem Hintergrund sind eine intakte Kundenbeziehung und eine nachhaltige Kundenbindung eine der großen Herausforderungen im Mittelstand.
Zur Erfüllung von kundenseitigen Anforderungen, die über den Warentransport und das Warenhandling hinausgehen, müssen Unternehmen zukünftig ihren Kunden im Rahmen des Preis-Leistungsverhältnisses entsprechende Mehrwerte in der Supply Chain bieten und ihr Dienstleistungsportfolio entsprechend erweitern. Nur durch den nachhaltigen Ausgleich an Interessen aller Beteiligten wird eine Neukundenakquise und eine Kundenbindung erfolgreich. Die Geschäftsbeziehung auf eine partnerschaftliche Ebene mit beiderseitigem Agieren auf Augenhöhe zu heben und auszubauen ist eine große Herausforderung, welche auf den Grundlagen von Respekt, Wertschätzung, Vertrauen, Ehrlichkeit und Transparenz basiert.
„Nachhaltige Kundenbeziehungen sollten mehr als nur ein „gutes“ Preis- Leistungsverhältnis widerspiegeln. Eine Kundenbeziehung ist eine Geschäftsbeziehung, welche im Idealfall auf einer gegenseitigen, langanhaltenden und erfolgreichen Partnerschaft beruht!“
Fazit
Einige der mittelständischen Familienunternehmen beherrschen das komplette logistische Leistungsspektrum vom klassischen Waren- und Gütertransport per Lkw-Verkehr und Intermodalverkehr über Spezial- und Sondertransporte bis zu komplexen logistischen Dienstleistungen oder haben sich individuell auf branchenspezifische Betätigungsschwerpunkte konzentriert. Die Kombination aus teilweise jahrzehntealter Unternehmenshistorie mit einem daraus gewonnenen Erfahrungsschatz, loyalen und hoch qualifizierten Mitarbeitern sowie einem ausgeprägten Netzwerk sicherten in der Vergangenheit den unternehmerischen Erfolg und bilden die Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Aufbauend hierauf müssen Strukturen und Organisationen gestrafft und optimiert sowie operative und administrative Abläufe auch unter Einbindung von kundenseitigen Anforderungen durch digitale Technologien noch effizienter gestaltet werden. Aufgrund der allgemein wirtschaftlichen konjunkturellen Dynamik gewinnt der Begriff Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung. Diese Nachhaltigkeit gepaart mit der notwendigen Flexibilität und ggf. entsprechender Investitionsbereitschaft zusammen mit motivierten und qualifizierten Mitarbeitern sind der Garant für ein langfristig erfolgreiches und wettbewerbsfähiges Agieren als mittelständisches Unternehmen.
Über den Gastautor:
Sebastian Prinzing hat die klassische Spedition in einem Mittelstandsunternehmen von der Pike auf gelernt und ist seit mehr als 20 Jahren in der Transport- und Logistikwelt zu Hause.